Josef Wegenberger, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie und Organisationsdynamik, im Interview mit Mag. Bernd Affenzeller im Magazin Bau & Immobilien Report.
Josef Wegenberger, hat das Vergabeverfahren beim Projekt Sieggraben begleitet. Im Interview erklärt er, wie wichtig die psychologische Komponente bei Allianzprojekten ist.
Ablauf und Besonderheit
Im Gegensatz zum offenen Vergabeverfahren bei klassischen Projekten wird bei Allianzprojekten ein zweistufiges Verhandlungsverfahren durchgeführt. Bei offenen Verfahren können unbegrenzt Bieter teilnehmen und Angebote abgeben. Den Zuschlag erhält –trotz herrschendem Bestbieterprinzip – in der Regel der Bieter mit dem billigsten Preis. Die Folgen sind häufig niedrige Preise und aggressives Claim-Management.
Vergabeverfahren von Allianzverträgen haben ein anderes Ziel. »Der Fokus liegt auf der Findung des besten Partners für ein gemeinsames Projekt. Nicht das billigste Angebot erhält den Zuschlag, sondern der Bieter, mit dem die besten Projektergebnisse erzielt werden können«, erklärt Daniel Deutschmann, Partner bei Heid und Partner Rechtsanwälte. Um diesen zu finden, kommt das zweistufige Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Einsatz.
In Stufe 1 können sich wie beim offenen Verfahren alle Bieter beteiligen. »Aus den geeigneten Bietern, die einen Teilnahmeantrag abgegeben haben, werden auf Basis von vorher festgelegten Auswahlkriterien die besten drei bis fünf Bieter für die zweite Stufe ausgewählt«, so Deutschmann.
In Stufe 2 wird neben einigen Preisbestandteilen die Qualität des Bieters unter die Lupe genommen. Dies erfolgte durch Ausarbeitungen zu bestimmten im Projekt wesentlichen Themen, wie etwa Chancen- und Risiko-Budget und durch Workshops, in denen die technischen und sozialen Fähigkeiten der wichtigsten Personen des Bewerberteams geprüft werden (siehe Interview nächste Seite).
Weiters werden auch Verhandlungen mit den Bietern durchgeführt, in denen zentrale Inhalte der Angebote und des Vertrages sowie der Ausarbeitungen besprochen werden.
Was macht aus Sicht des Psychologen Vergabeverfahren bei Allianzprojekten aus?
Josef Wegenberger: Die Grundhaltung von/in Allianzprojekten ist die Partnerschaft von Auftragnehmer/in und Auftraggeber/in. Vertrauen, offene Kommunikation, Transparenz, das Gemeinsame von das Trennende zu stellen, … sind dabei die Grundwerte. Alle Partner im Projekt „müssen“ sich nicht an diese Werte halten, sondern „wollen“ aus tiefster Überzeugung danach leben. Dies dokumentiert sich in jeder Phase des Projektes im Denken und Handeln. Es geht um eine „WIN-WIN-Situation“ für alle Beteiligten, Stakeholder, Kund/innen, Nutzer/innen bis hin zu übergeordneten Zielen und Leitlinien, wie Umwelt- und Klimaschutz. Die Allianz [abgeleitet vom lateinischen Wort „alligare“ -„verbinden“] bildet sich, um effektive und effiziente Lösungen zu entwickeln und zu realisieren [„das Richtige richtig tun“]; daher steht das „best for project-Prinzip“ in Allianzprojekten im Mittelpunkt.
Nachdem es hier nicht nur um „Verhaltenstechniken“, sondern um Werte und Haltungen geht, sind diese im Vergabeverfahren in geeigneter Form zu bewerten. Das heißt, es geht darum, die erfolgsrelevanten Kompetenzen [wie zum Beispiel Teamkompetenz, Gesprächsführung, Problem- und Konfliktlösungskompetenz etc.], bei allen Allianzmitgliedern in geeigneter Form zu überprüfen. Bei Kompetenzen handelt es sich um die Kombination von Einstellungen, Fähigkeiten, Wissen und deren Umsetzung in die Praxis [„ich will“ – „ich kann“ und ich mache es auch“].
Sie haben das Vergabeverfahren beim Projekt Sieggraben begleitet. Was waren für Sie die größten Herausforderungen?
Wegenberger: Die größte Herausforderung ist wahrscheinlich für alle Beteiligten, eine jahrzehntelange, praxiserprobte Vorgangsweise im Denken und Handeln „hinter sich zu lassen“ und neue Wege mit dem Allianzprojekt zu beschreiten. In vielen Projekten ist man sich „gegenüber gestanden“ und plötzlich ist man in einem Team und gewinnt oder verliert gemeinsam das Spiel. Das ist, überspitzt formuliert, wie wenn bei einem Fußballspiel nur mehr ein Team – bestehend aus 22 Spieler/innen – am Spielfeld ist und die Tore zusammengezählt werden. Um das Fußballbeispiel noch weiter zu strapazieren, während bei vielen Vereinen noch eine „Torprämie“ ausgezahlt wird, und man sich dann wundert, warum der Stürmer den Ball vor dem Tor nicht abspielt, bedeutet es in der Allianz, dass alle am Erfolg partizipieren.
Diese Philosophie gilt es jedoch nicht nur an der Unternehmensspitze zu verankern, sondern diese auf allen Ebenen zu implementieren und danach zu handeln. Es bedeutet aber auch, dass die Projektmanagementwerkzeuge und Prozesse adaptiert werden [müssen]; jahrzehntelang optimierte Instrumente im Projektmanagement sind
zu überdenken und gegebenenfalls neu zu gestalten.
Wie haben Sie das Zusammenspiel von Auftraggeber und Auftragnehmer erlebt?
Wegenberger: Wir, die Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie und Organisationsdynamik, haben die letzten Jahre vielfach an derartigen Projekten und Vergabeverfahren mitwirken dürfen. Wir haben sowohl mit unseren Auftraggeber/innen und den Auftragnehmer/innen, aber auch im gesamten Vergabeteam nur die positivsten Erfahrungen gemacht. Die Allianz zu einem „winning team“ zu machen, wirkt für alle motivierend.
Was sind die größten Vorteile dieser Art von Vergabeverfahren, was sind die Nachteile?
Wegenberger: Die größten Vorteile liegen darin, dass man das künftige Team nicht nur „in der Papierform“ kennt, sondern dass man alle „Schlüsselpersonen“ in praxisnahen Simulationen beobachten und daraus das beste Team bilden kann [„best for project“]. Wie auch im Fußball 11 Topspieler/innen noch keine Mannschaft ergeben und im Unternehmen die fachlich kompetenteste Person noch keine gute Führungskraft ist, zählt auch in einem Allianzteam mehr als nur die Fachkompetenz.
Selbstverständlich sind diese Vergabeverfahren aufwändiger in der Gestaltung und Durchführung, als klassische Verfahren. Stellen wir aber den Nutzen gegenüber, dass wir Kosten und andere Schäden, welche durch Fehlentscheidungen entstehen können, abwenden können, dann lohnt sich die Investition.
Haben Sie eine Einschätzung, wie sich die Besonderheiten des Vergabeverfahrens bei Allianzmodellen auf den weiteren Projektverlauf auswirken werden?
Wegenberger: Nachdem die Bildung der Allianz vom ersten Augenblick an, von der Philosophie des GEMEINSAMEN und BEST FOR PROJECT getragen wird, setzt sich das im Projektverlauf weiter fort.
Eine tragfähige Beziehung in der Allianz, basierend auf Vertrauen, Wertschätzung, positiver Einstellung und hoher kommunikativer und methodischer Kompetenzen, kombiniert mit hoher Fachexpertise, wird auch schwierige Herausforderungen und konfliktäre Situationen im Projektverlauf meistern lassen.