Onboarding

Oliver Wegenberger

Fallgeschichte 1
Als ich mit 21 Jahren in das Unternehmen kam, waren für mich die Führungskräfte und Kolleg/innen so unwissend und „dumm“. Ich konnte sie alle kaum in meiner Nähe ertragen. Aber jetzt mit 25 Jahren bin ich verblüfft, wieviel sie in 4 Jahren dazu gelernt haben (in Anlehnung an Mark Twain und seine Erfahrungen mit seinem Vater).

Fallgeschichte 2
Eine unveröffentlichte Studie der GWO besagt, dass 2/3 aller Mitarbeiter/innen, welche das Unternehmen im ersten Jahr wieder verlassen, diese Entscheidung bereits am 1. Tag oder in der 1. Woche initial treffen (Wegenberger & Wegenberger, 2021).

Die beiden Fallgeschichten zeigen auf, dass sowohl die neuen Mitarbeiter/innen als auch das Unternehmen / das Team wesentlich zu einem erfolgreichen Onboarding beitragen können [müssen].

Aus der Sicht der neuen Mitarbeiter/innen

  • Mit welcher Einstellung gehe ich in das neue Unternehmen?
  • Wie offen und unvoreingenommen begegne ich meinen neuen Kolleg/innen und Führungskräften?
  • Habe ich echtes Interesse oder „zeige“ ich nur Interesse?
  • Sehe ich mich als „Lernende“ oder bereits als [Alles]-Wissender?
  • Bringe ich mich aktiv ein?
  • Hinterfrage ich bestehende Prozesse konstruktiv oder birnge ich bereits die idealen Lösungen? [„bei meiner Vorfirma haben wir das so / besser / … gemacht?“; „das ist veraltet, auf der Uni haben wir …“ – ein „super Start“ und ganz nach Mark Twain]
  • ….

Aus dem Blickwinkel des Unternehmens / des Teams

  • Heißen wir das neue Teammitglied „herzlich willkommen“ und kann sich dieses auch so fühlen?
  • Haben wir alles vorbereitet?
  • Wer ist für das Onboarding verantwortlich?
  • Sind Onboarding-Pläne, Unterlagen vorbereitet?
  • ….

Pre-Bording verhindert vorzeitige Fluktuation und Ghosting.

Im Wesentlichen unterscheiden wir im Onboarding 4 Phasen

  • on the job

Der Auswahlprozess
Im Prinzip beginnt das Onboarding bereits im Auswahlprozess [Eincheckphase]. Beide Seiten [Unternehmen und Bewerber/in] überprüfen und bewerten, ob die Erwartungen, Rahmenbedingungen kongruent sind bzw. erfüllt werden können und die erfolgsrelevanten Kompetenzen beim künftigen Teammitglied vorhanden sind bzw. entwickelt werden können. Beide Partner begegnen sich auf Augenhöhe und wertschätzend. Wenn sich einer der beiden in der „Bittsteller-Position“ fühlt, sind das schlechte Voraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit. Während in früheren Zeiten sich Bewerber/innen oft in dieser Position gefühlt haben, hat man derzeit das Gefühl, dass durch den Arbeits- und Fachkräftemangel das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen hat und Unternehmen mitunter zum „Bittsteller“geworden sind.

Die Pre-Boarding-Phase
Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, startet diese „Auswahlphase“. Nachdem oft mehrere Monate zwischen Unterzeichnung und 1. Arbeitstag vergehen [aufgrund von Kündigungsfristen, Abschluss Ausbildung, Schule, Studium, Auszeit etc.] ist es wichtig, den „Kontakt nicht abreissen zu lassen“. Die Gefahr ist gegeben, dass das neue Teammitglied „abspringt“. An der Schnittstelle zwischen HR und Fachbereich, fühlen sich die einen nicht mehr verantwortlich und die anderen noch nicht.

Natürlich kann man sich jetzt auf den Standpunkt zurückziehen „Verträge müssen eingehalten werden [Juristischer Grundsatz: „pacta sunt servanda“] oder, wenn jemand so „unentschlossen“ ist und sich schon wieder anderen Arbeitgebern hinwendet, war es sowieso von vorneherein die falsche Entscheidung [das Phänomen wird auch als „Ghosting“ bezeichnet].
Es gilt, die Kommunikation mit Informationen, Schaffung „emotionaler Bindungen“, Einladungen zu Firmen-, Teamevents, After-Work, Zugang zu internen Netzwerken. Die Botschaft heißt: „Wir freuen uns auf Dich“.

Onboarding – Integration
Die Förderung des „WIR-Gefühls“, dass „schön, dass Du bei uns bist“ setzt sich in der Integrationsphase fort mit Aktivitäten wie, die Gestaltung des 1. Tages, das Willkommensgespräch durch Pat/in [Buddy, Coach] und Führungskraft, der WELCOME-DAY mit neuen Mitarbeiter/innen aus anderen Bereichen, der Rundgang, etc.

Speziell für neue Teammitglieder aus anderen Städten oder sogar Ländern, ist diese Phase nicht nur die Integration in das Team, sondern das „Ankommen und sich Wohlfühlen“ in einer neuen Stadt, einem neuen Land oder sogar einem neuen Kulturkreis. D.h. auf den Buddy kommen hier weitere Aufgaben zu und die Auswahl der geeigneten Pat/innen ist besonders sorgfältig zu treffen.

Das Onboarding – Training on the job
In der 4. Phase, die mit der 3. Phase parallel zu sehen ist, wird das Training on the job – die klassische Einschulung den Aufgabenbereich, auf die Abläufe und Spezifika – gestartet.

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Quelle
Wegenberger, O., & Wegenberger, J. (2021). Talent- und Kompetenzmanagement: Eine anwendungsorientierte Perspektive. Springer Gabler.

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